Existentielle Dysphorie

Wenn Sie im falschen zugewiesenen Geschlecht aufwachsen, werden Sie viele Dinge verpassen, die Sie eigentlich erlebt hätten, wenn man es nur früher gewusst hätte. Übernachtungen, Campingausflüge, Pfadfinder oder Pfadfinderinnen, Einkaufstouren, Cheerleadern oder Sport. Erlebnisse, vor allem Gemeinschaftliche Erlebnisse, können sehr unterschiedliche Gefühle auslösen, je nachdem, wie Sie sie ausleben können. Zum Beispiel zum Abschlussball gehen, religiöse Zeremonien (z. B. eine Bat-Mizwa anstelle einer Bar-Mizwa) und sogar nur das Dating bzw. die Suche nach einem Freund oder Freundin. Diese Dysphorie kann auch biologischen Ursprungs sein, z.B. die Trauer darüber, dass Sie Ihre Kinder nicht zur Welt bringen oder stillen können.

Diese verpassten Gelegenheiten können sich als Gefühle von Verlust und Verletzung manifestieren. Darüber hinaus sind oft die Erinnerungen an Erlebnisse, die Sie in der falschen Geschlechtsrolle durchlebten, ein bitterer Punkt, genauso wie Erlebnisse, zu welchen Sie eigentlich gar keinen Zugang hätten haben sollen, da diese möglicherweise unangenehme Erinnerungen wecken können (z.B. im Jungs bzw. Mädchen Zimmer im Schullandheim schlafen zu müssen). Stellen Sie sich vor, Sie müssen bei Ihrer Hochzeit der Bräutigam sein, wenn Sie wissen, dass Sie eigentlich die Braut sein sollten. Sie Träumen während Ihrer Jugend von Ihrer perfekten Hochzeit nur um das Ganze dann in der falschen Rolle zu spielen.

Nicht selten trifft es Trans-Personen mit der ganzen Wucht der existenziellen Dysphorie, weil Sie Ihrer verlorenen Jugend nachtrauern. All die Dates, die Spinnereien im Teenageralter, die Partys, der erste Sex… während Ihr Körper jung war und Sie keine Verantwortung hatten. Es ist Zeit, die niemals zurückgewonnen werden kann.

Oft wird versucht einige dieser verlorenen Ereignisse wiederzuerlangen. Es werden queere Abschlussbälle veranstaltet, Übernachtungen organisiert oder daran teilgenommen, die Ehegelübde mit Ihren Ehepartnern wiederholt oder Übergangsrieten zur Pubertät veranstaltet (beispielsweise indem eine Mutterfigur ihnen hilft, ihren ersten BH zu kaufen, oder Eine Vaterfigur ihnen das Rasieren beibringt). Letztendlich ist existenzielle Dysphorie jedoch etwas, das niemals gelindert werden kann. Sie können neue Erfahrungen machen, um die verlorenen zu ersetzen, aber Sie können die Uhr niemals zurückdrehen.

Dies ist einer von vielen Gründen, warum es so wichtig ist, Jugendliche, welche auch nur möglicherweise Trans sind zu unterstützen. Lieber ein Gang zum Psychologen (oder Therapeuten) zu viel als das von vornherein auszuschließen. Denn: Jungs wollen Jungensachen machen, Mädchen wollen Mädchensachen machen, und nicht-binäre Kinder wollen das tun, was sich für sie richtig anfühlt; und wenn sie es verpassen, werden sie das nicht vergessen.